Bürgerinfosystem Neustadt in Holstein

Vorlage - VO/3451/25  

 
 
Betreff: Prüfung der Einführung einer Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum nach dem Schleswig-Holsteinischen Wohnraumschutzgesetz (SHWoSchG)
Status:öffentlichVorlage-Art:Vorlage öffentlich
Federführend:3 Bauamt Bearbeiter/-in: Rieger, Conrad
Beratungsfolge:
Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss Zur Kenntnis
27.11.2025 
Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Bauausschusses      

Sachverhalt:

1. Hintergrund und Zielsetzung einer Zweckentfremdungssatzung

Mit Inkrafttreten des Schleswig-Holsteinischen Wohnraumschutzgesetzes (SHWoSchG) im Jahr 2024 haben die Kommunen die Möglichkeit erhalten, durch Satzung den Schutz von bestehendem Wohnraum zu sichern. Ziel einer solchen Satzung ist es, in Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt die Umwandlung, den Leerstand oder die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken zu begrenzen oder zu verhindern.

Eine Zweckentfremdungssatzung soll also dem Verlust von bestehendem Wohnraum entgegenwirken, insbesondere durch:

-          Vermietung an Feriengäste (Kurzzeitvermietung),

-          ngerfristigen Leerstand,

-          Umwandlung in Gewerbe- oder Büroflächen,

-          bauliche Umgestaltung, die Wohnnutzung ausschließt,

-          Abriss ohne Neubau von Ersatzwohnraum.

2. Beispielhafte Regelung: Zweckentfremdungssatzung der Stadt Flensburg

Die Stadt Flensburg hat am 28.04.2025 eine solche Satzung erlassen. Grundlage ist § 10 SHWoSchG. Die Satzung definiert im Wesentlichen:

-          Wohnraummangellage: Feststellung, dass die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum gefährdet ist.

-          Begriff des Wohnraums: Alle zu Wohnzwecken geeigneten und bestimmten Räume, einschließlich Dienstwohnungen und Wohnheime.

-          Tatbestände der Zweckentfremdung:

-          gewerbliche Nutzung von mehr als 50 % der Fläche,

-          Nutzung als Ferienwohnung über 12 Wochen im Jahr,

-          Leerstand über 6 Monate,

-          bauliche Entwidmung oder Abriss.

-          Genehmigungspflicht: Zweckentfremdung ist grundsätzlich untersagt, aber in Einzelfällen genehmigungsfähig, etwa bei überwiegendem öffentlichem Interesse, Ersatzwohnraum oder Ausgleichszahlung.

Kontroll- und Sanktionsmechanismen:

-          Auskunfts- und Betretungsrechte der Verwaltung,

-          Bußgelder bis zu 100.000 €,

-          glichkeit der Wiederherstellungsanordnung oder Ersatzwohnraumschaffung.

-          Laufzeit: 01.06.2025 bis 31.05.2030.

Ziel der Satzung ist der Erhalt bezahlbaren Wohnraums in innerstädtischen Lagen, insbesondere angesichts zunehmender Kurzzeitvermietungen (z. B. über Airbnb) und gewerblicher Umnutzungen.

3. Bewertung: Chancen, Risiken und praktische Aspekte

Chancen / Vorteile:

-          Erhalt von Wohnraum: Bestehender Wohnraum wird geschützt und steht dauerhaft der Bevölkerung zur Verfügung.

-          Steuerung der Ferienwohnnutzung: Begrenzung kurzfristiger Vermietungen, die Wohnraum verknappen und Mietpreise erhöhen.

-          Signalwirkung: Ausdruck einer aktiven wohnungspolitischen Steuerung durch die Stadt.

-          Rechtssicherheit: SHWoSchG bietet eine eindeutige gesetzliche Grundlage, wodurch Kommunen rechtssicher handeln können.

Risiken / Nachteile:

-          Verwaltungsaufwand: Erheblicher personeller und organisatorischer Aufwand für Kontrolle, Genehmigung, Überwachung und Ordnungswidrigkeitenverfahren.

-          Nachweisprobleme: Schwierige Beweisführung bei Onlinevermietungen oder unregelmäßiger Nutzung.

-          rokratiekosten: Erstellung, Vollzug und ggf. Rechtsverfahren verursachen zusätzliche Kosten, die bei der derzeit angespannten Haushaltslage schwer abbildbar sind.

-          Eingriff in Eigentumsrechte: Mögliche Konflikte mit Eigentümerinnen und Eigentümern sowie politische Diskussionen um Verhältnismäßigkeit.

-          Begrenzte Wirksamkeit: In kleineren Kommunen mit überschaubarem Wohnungsmarkt ist der Effekt auf die Gesamtversorgung oft begrenzt.

Finanzielle und personelle Auswirkungen:

-          Die Umsetzung würde mindestens:

-          eine halbe Personalstelle für Überwachung, Verwaltung und rechtliche Bearbeitung erfordern,

-          digitale Erfassung und Meldesysteme (z. B. Ferienwohnungsregister) nötig machen,

-          zusätzliche Mittel für Rechtsberatung und Vollzug (Bußgeldverfahren, Ordnungsrecht) binden.

Diese Aufwände sind derzeit nicht im Haushaltsplan eingeplant und wären nur durch Umschichtungen oder Mehrausgaben zu decken.

4. Alternativen zur Satzung:

Anstelle einer Zweckentfremdungssatzung können auch städtebauliche oder planungsrechtliche Steuerungsinstrumente genutzt werden, um die Wohnraumnutzung zu sichern:

-          Aufstellung von Bebauungsplänen mit Festsetzung von „allgemeinen Wohngebieten“ 4 BauNVO) oder Ausschluss von Beherbergungsnutzungen.

-          Veränderungssperre nach § 14 BauGB zur Sicherung der Bauleitplanung, um kurzfristig Umnutzungen zu verhindern.

-          Vereinbarungen mit Vermietungsplattformen (z. B. Airbnb, Booking) zur freiwilligen Registrierung lokaler Angebote.

-          Wohnraummonitoring und Förderprogramme (z. B. Modernisierung, soziale Wohnraumförderung) zur langfristigen Stabilisierung des Bestandes. Hinweis: die Fortschreibung des Wohnungsmarktkonzeptes ist für das Jahr 2026 geplant.

-          Kommunikation und Aufklärung gegenüber Eigentümerinnen und Eigentümern über wohnraumschützende Nutzung.

Diese Maßnahmen sind in der Regel weniger personal- und kostenintensiv und können bei Bedarf kurzfristig angepasst werden.

Darüber hinaus ist die lokale Situation in Neustadt in Holstein differenziert zu betrachten:

-          In den letzten 25 Jahren sind in Neustadt rund 1.700 zusätzliche Wohnungen entstanden bei nahezu gleichbleibender Bevölkerungszahl. Sowohl die durchschnittliche Wohnungsgröße als auch der Wohnraum pro Kopf haben deutlich zugenommen. Dies weist u. a. auf ein Verteilungsproblem hin, wie es auch in anderen Städten zu beobachten ist: Viele ältere Menschen bleiben in ihren bisherigen, oft großen Wohnungen oder Einfamilienhäusern wohnen aus Sorge, keine geeignete kleinere Wohnung zu finden oder aufgrund höherer Mietpreise bei Neuvermietungen. Hier wäre ein Dialog mit den örtlichen Wohnungsbaugesellschaften sinnvoll, ggf. flankiert durch ein kommunales Unterstützungsprogramm, um altersgerechte Umzüge zu fördern und so bestehenden Wohnraum effizienter zu nutzen.

-          Auch die Relation zwischen der Zahl der Wohnungen (ca. 9.000) und der Ferienwohnungen (rund 400, inklusive der größeren Ferienhausanlagen in Pelzerhaken) zeigt, dass sich die Situation in Neustadt deutlich von klassischen Tourismusorten an der Ostsee unterscheidet. Ferienwohnungen nehmen hier nur einen geringen Anteil des potenziellen Wohnraums in Anspruch. Dort wo dies geschieht auch nicht zuletzt, weil die Bauleitplanung, insbesondere in Pelzerhaken, über Jahrzehnte eine touristische Entwicklung gezielt ermöglicht oder begünstigt hat. Es erscheint daher ausreichend, die weitere Entwicklung wachsam zu beobachten und bei erkennbaren Veränderungen planungsrechtlich gegenzusteuern.

5. Empfehlung der Verwaltung

Aus Sicht der Verwaltung ist eine Zweckentfremdungssatzung ein wirksames, aber aufwändiges Instrument, das sich insbesondere in größeren Städten mit starkem Ferienwohnungsdruck bewähren könnte.

r die Stadt Neustadt in Holstein ist aufgrund:

-          der angespannten Haushaltslage,

-          der Größe des Verwaltungsapparats,

-          und des bislang überschaubaren Anteils problematischer Zweckentfremdungen, die Einführung einer solchen Satzung derzeit nicht praktikabel.

Empfohlen wird daher, vorerst auf eine Satzung zu verzichten und stattdessen:

-          die Entwicklung der Wohnraumsituation weiterhin zu beobachten,

-          planungsrechtliche Instrumente gezielt einzusetzen,

-          bei Verschärfung der Lage eine spätere Einführung erneut zu prüfen.

Ein Monitoring zur Ferienwohnnutzung (z. B. über öffentlich zugängliche Online-Angebote) sollte eingerichtet werden, um die Situation fundiert bewerten zu können.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass im Bauamt nun eine Baukontrolleurin tätig ist, die sich auch schwerpunktmäßig mit der Überprüfung ungenehmigter oder unzulässiger Ferienwohnungen befasst. Einer ihrer ersten Arbeitsaufträge umfasst die systematische Kontrolle dieser Fälle. Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, zunächst die Ergebnisse dieser Kontrollen abzuwarten; zugleich wird damit ein faktisches Monitoring der Ferienwohnnutzung geschaffen.

 


Beschlussvorschlag:

Der Sachverhalt wird zur Kenntnis genommen.


Finanzielle Auswirkungen:

Finanzielle Auswirkungen:

 Ja: 

 Nein: X

 

Gesamtaufwand:

 

bzw. Gesamtauszahlungen: €

Folgekosten:

 

Mittel stehen zur Verfügung:

 ja:

Budget:

 

 nein:

Deckungsvorschlag:

Bemerkungen:

 

 

Nachhaltigkeitseinschätzung:

Nachhaltigkeits-

aspekte

Klimaschutz

Energie

Flächen und Ressourcen

Klimaanpassung

Umweltverträgliche Mobilität

Gesundheit

Sicherheit

Chancengleichheit und Teilhabe

Bildung

Freizeit und Kultur

Wirtschaftsstandort

Arbeitsplätze und Fachkräfte

Lokale und regionale Wertschöpfung

Wohnraumangebot

Regionale und überrergio­nale Auswirkungen

fördernd

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Anlage/n:

keine