Bürgerinfosystem Neustadt in Holstein
Bericht: Die Vorsitzende des Ausschusses für gesellschaftliche Angelegenheiten Frau Spiegel führt zu der ausführlichen Vorberatung im Fachausschuss aus, skizziert die wesentlichen Vorlageninhalte und verliest den Beschlussvorschlag.
Diskussion: Herr Marggraf hält fest, dass sich die CDU für sozialen geförderten Wohnungsbau ausspreche. Sie zeige sich aber von dem revidierenden Aufgreifen der Beschlusslage vom 29.09.2022 durch die Verwaltung irritiert. Die Festlegung einer Untergrenze würde sich negativ auf Investorenvorhaben auswirken. Überdies würden viele Menschen über den Einkommensgrenzen für den Bezug eines Wohnberechtigungsscheinen liegen. Nun solle durch eine Untergrenze eine Flexibilität beschnitten werden, was eine erfolgreiche Wohnraumsuche noch schwieriger als aktuell gestalten werde. Sozialer Wohnungsbau sei wichtig und müsse in einem realistischen Maße gefördert werden. Bezahlbarer Wohnraum hingegen bedeute nicht gleich sozialen Wohnungsbau. Die CDU-Fraktion werde aus diesen Gründen gegen die Vorlage stimmen.
Herr Dr. Böckenhauer führt an, dass der Bedarf an günstigem Wohnraum in Neustadt in Holstein unbestritten sei, wie man auch den der Vorlage anliegenden Erläuterungen zur Wohnraumförderung des Amtes für gesellschaftliche Angelegenheiten entnehmen könne. Die Anspruchsgrenzen zum Erhalt eines Wohnberechtigungsscheines seien bereits gesenkt worden. Für die Förderung von günstigem Wohnraum spreche auch, dass das Landesinnenministerium Neustadt in Holstein als Gemeinde mit angespannten Wohnungsmarkt nach § 201a BauGB festgestellt habe. Die in der Vorlage aufgeführte Untergrenze sei bereits in den Ursprungsvorberatungen diskutiert worden und wäre möglicherweise praktikabler für die Verhandlungen mit potentiellen Investoren als die gegenwärtig beschlossene Ausformulierung, die aktuell eben auch keinen sozialen Wohnungsbau ermöglichen könne. Die Fraktion B‘90/GRÜNE spreche sich inhaltlich zwar für die Aufnahme einer Untergrenze aus und würde dem Verwaltungsvorschlag - wie auch bereits in den Vorberatungen erfolgt - folgen, halte aber Zeitpunkt und Art des erneuten Aufgreifens durch die Verwaltung ohne vorherige Einbindung der Kommunalpolitik für fragwürdig. Sollte sich herausstellen, dass mit der neuen Regelung neben sozial gefördertem Wohnraum kein weiterer bezahlbarer Wohnraum zu ermöglichen sei, müsse dieses überarbeitet werden. Der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit sei dahingehend ohnehin nicht in Stein gemeißelt und unterliege einer regelmäßigen Überprüfung.
Herr Greve wiederholt unter anderem, dass Neustadt in Holstein nach § 201a BauGB als Gemeinde mit angespannten Wohnungsmarkt festgestellt worden sei. Das Land habe darüber hinaus die Fördermittel hierzu erhöht. Der Wohnungsmarkt werde durch die Flüchtlingssituation verschärft, die Baupreise würden durch den russischen Angrifskrieg in der Ukraine steigen. Da sich also insgesamt eine geänderte Sachlage darstellt, sei das Ansinnen einer erneuten Beschlussfassung absolut legitim. Auch das Wahlprogramm der CDU sehe das Vorantreiben des sozialen Wohnungsbaus vor. Die SPD-Fraktion werde der Vorlage zustimmen.
Herr Reichert stellt für die BGN-Fraktion klar, dass sie das erneute Aufgreifen des Themenfeldes durch die Verwaltung begrüße. Es sei kein Hexenwerk, dass ein durch die Stadtverordnetenversammlung erfolgter Beschluss auch durch sie geändert werde.
Herr Geusen-Rühle führt die einvernehmlichen Beschlüsse zu den inhaltlichen Regelungen der zurückliegenden Bebauungpläne an, die den sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum berücksichtigen würden. Anhand der Diskussion zur Verabschiedung des Nachhaltigkeitskonzeptes am 29.09.2022 sei eine breite Willensbildung zur Findung eines letztlich beschlossenenen Kompromisses ersichtlich. Die jetzige Verwaltungsvorlage lasse jedoch keine Argumentation erkennen, stelle Behauptungen auf ohne sie mit Fakten zu unterfüttern und bringe der Selbstverwaltung insgesamt keine neuen Erkenntnisse. Er wolle an den damaligen Beschluss festhalten und werde der heutigen Änderung nicht zustimmen. Er kritisiert scharf die Verfahrensweise der erneuten Einbringung durch die Verwaltung und unterstellt dem Bürgermeister, abseits des formalen Aspektes seines Antragsrechtes seine Kompetenz über die Machtbalance einer funktionierenden Demokratie zu stellen. Hierzu vergleicht er das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene als Legislative und dessen Überprüfungsmöglichkeiten auf Verfassungsmäßigkeit durch die Judikative mit den Beschlussfassungen der kommunalen Selbstverwaltung als Teil der Exekutive. Es obläge einzig der Stadtverordnetenversammlung, einen von ihr gefassten Beschluss zu ändern – nicht aber dem Bürgermeister. Dieser stelle sich und die von ihm geleitete Verwaltung mit diesem Vorgehen respektlos über die berufliche und fachliche Qualität und Kompetenz der Selbstverwaltung. Er schlage vor, der Verwaltung durch ein Nein zur Beschlussvorlage aufzuzeigen, dass man so nicht mit der Stadtverordnetenversammlung umzugehen habe; wer der Vorlage sachlich zustimmen könne, möge zur konsituierenden Sitzung einen dahingehenden Antrag stellen.
Bürgermeister Spieckermann weist den Vorwurf des mangelnden Respekts entschieden zurück. Auch stelle er an keinesfalls Qualifikationen in Abrede. Ein Vergleich der Legislative mit der kommunalen Selbstverwaltung als Teil der Exekutive gehe im Übrigen fehl. Er verweist auf sein bereits von Herrn Geusen-Rühle angeführtes Antragsrecht. Die Vorlage greife die sich darstellende Situation am Wohnungsmarkt auf und sei durch die Verwaltung inhaltlich begründet worden. Die Landesregierung habe weitere Bemühungen angestellt, den sozialen Wohnungsbau für Investoren interessant zu machen. So seien Miethöhen über die Förderwege angepasst und das Fördermittelvolumen bis 2026 deutlich angehoben worden. Durch die gewählte Beratungsfolge habe auch durchaus die Möglichkeiten bestanden, dass der Beschlussvorschlag in der Vorberatung bereits hätte abgelehnt werden können. Es sei letztlich sein gutes Recht, aber auch seine ausdrückliche Pflicht, geänderte Sachverhalte zu Themen in eine erneute Beratung einzubringen.
Der Vorsitzende ruft angesichts der scharfen Kritik an der Umgehensweise mit der Selbstverwaltung in Erinnerung, dass es hier nach wie vor lediglich um eine Sachentscheidung gehe. Er würde es begrüßen, wenn die weiteren Wortbeiträge zurückgestellt würden und die Beschlussfassung erfolgen könne.
Herr Greve wiederholt, dass ein Vergleich der Legislative auf Bundesebene und der Stadtverordnetenversammlung als kommunale Selbstverwaltung und damit als Exekutive völlig falsch sei und erläutert erneut, dass Neustadt in Holstein nach § 201a BauGB als Gemeinde mit angespannten Wohnungsmarkt festgestellt worden sei. Den Bürgermeister in der erfolgten Art und Weise anzugreifen, weil er unter anderen diesen Aspekt erneut in die Beratung gegeben habe, sei illegitim. Das in den Vorberatungen aufgekommene Argument, dass der Markt den sozialen Wohnungsbau regele, könne ebenso nicht gelten. Die Stadt sei hier in der Verantwortung und ihr stelle sich sehr wohl eine wichtige Aufgabe, mit städteplanerischen Festlegungen sozial zu steuern.
Herr Vowe zitiert aus den Förderrichtlinien des Landes zu den Einkommensgrenzen und argumentiert, dass es zahlreichen Wohnungssuchenden nicht möglich sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden. /Einwendung siehe Folgesitzung - Hp 23.06.2023
Frau Giszas moniert, dass sich die Selbstverwaltung stets so hinstelle, als dass durch die in den vergangenen Jahren erfolgten Festsetzungen bereits die Lösungen für den angespannten Markt bezahlbarer Wohnungen geschaffen worden seien. Die SPD-Fraktion habe sich bei den Beschlussfassungen zum B-Plan 54 mehr als andere Fraktionen für die Realisierung von sozialen Wohnraum eingesetzt, ohne aber dafür eine Mehrheit zu finden. Im B-Plan 96 sei in der Vorberatung oder in der Verwaltungsvorlage überhaupt kein sozialer Wohnungsbau vorgesehen gewesen. Sie empfinde daneben das Vorgehen der Verwaltung zur Zielformulierungsänderung ungeachtet des mühsam erarbeiteten Kompromisses vor wenigen Monaten nicht als empörenswert – letztlich bleibe es ihr als Stadtverordnete doch überlassen, hierüber zu entscheiden und die Sachlage abzuwägen. Das Nachhaltigkeitskonzept unterliege einer ständigen Evaluierung. Die Selbstverwaltung habe die Möglichkeit, ihre Beschlüsse auch ggf. wieder einzufangen und nach bestem Wissen und Gewissen zu agieren. Das Verhalten der CDU zu diesem Thema sei inhaltlich zu kritisieren und deren Empörung unangebracht.
Beschluss: Der Bürgermeister wird gebeten, das operative Ziel 1.B. in dem 3. Themenfeld „Soziale Gerechtigkeit und zukunftsfähige Gesellschaft“ der Nachhaltigkeitsstrategie wie folgt umzuformulieren: „Der Schaffung von Bauprojekten im sozialen Wohnungsbau wird städtebaulich Vorrang vor anderen Wohnraumentwicklungsprojekten eingeräumt. Bei Projekten mit mehr als 20 Wohneinheiten ist zwischen 30 % und 50 % sozial geförderter Wohnraum im Rahmen der Bauleitplanung bzw. städtebaulicher Verträge festzulegen.“
Abstimmungsergebnis: Ja-Stimmen: 19 Nein-Stimmen: 13 Enthaltungen: 0
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